Das Manderscheider Ehrenmal
Gerade einmal knapp sechs Wochen dauerte es 1914, um die Welt in einen Weltkrieg zu stürzen. Sie begannen mit einem mörderischen Attentat in Sarajewo. Am 28. Juni 1914 besuchte der österreichisch-ungarische Thronfolger Erzherzog Franz-Ferdinand mit seiner Ehefrau Sophie die bosnische Stadt Sarajewo. Bei einer Fahrt im offenen Wagen durch die Stadt starben Franz-Ferdinand und Sophie durch Pistolenkugeln. Es folgte ein fataler Absturz der Beziehungen zwischen den mächtigsten Staaten Europas, weg von der Diplomatie, hin zu den Waffen. Am Ende stand, vor allem in Deutschland, der große Jubel, die Kriegsbegeisterung. Eine Welle der Begeisterung, nationaler Überschwang, ein regelrechtes Glücksgefühl erfasste sehr viele Menschen in Deutschland bei Kriegsbeginn im August 1914. Es wehten Fahnen, es wurden Gottesdienste gefeiert und Gottes Beistand für diesen Waffengang erbeten. Die Menschen versammelten sich in den Straßen, sie jubelten ihren Soldaten zu und die Soldaten fuhren lachend und winkend in Richtung Front, in Bahnwaggons, auf die sie mit Kreide Sprüche geschrieben hatten wie "Auf zum Preisschießen nach Paris!".
Im Lagerbuch der Pfarrei Manderscheid wird diese Zeit beschrieben:
„Am 31. Juli wurde in Deutschland der Kriegszustand erklärt und am 1. August, einem schönen sonnigen Samstag um 6 Uhr Nachmittags kam der Befehl zur Mobilmachung der Deutschen Armee zu Land und zu Wasser. Ein Postbeamter schlug den Befehl Sr. Majestät in der Aushängetafel neben dem Eingang zur Bürgermeisterei an. Die Sturmglocken läuteten. Flurschütz Franz Högener eilte mit der Schelle durch Manderscheid und machte die Mobilmachung bekannt. Der Hotelbesitzer Nikolaus Heid musste sich sofort stellen und fuhr noch am selben Abend mit Nikolaus Meyer im Auto nach Hillesheim. Sie waren die ersten, die Abschied nahmen. Die Beklemmung der ersten Stunde hatte sich bald gelegt und Begeisterung hatte alle, besonders die Männer, ergriffen. Ein dreifaches Hurra, als das Auto mit kräftigem Stoß zur ersten Kriegsfahrt ansetzte.
Zurzeit befanden sich viele Sommergäste und Touristen in Manderscheid und man versprach sich eine einträgliche Saison. Da kam der Befehl: Freunde, zurück zur Heimat! Und wie die Spreu vorm Winde zerstoben sie.
Als der Abend hereinbrach, versammelten sich die ganze waffenfähige Mannschaft und fast alle übrigen Manderscheider vorm Bürgermeisteramt. Bürgermeister Dr. Meyers, Leutnant der Reserve, bereits in Uniform, trat in ihre Mitte und hielt eine begeisternde Ansprache, die mit einem brausenden Hoch auf den obersten Kriegsherrn schloss. Dann erscholl aus vielen Kehlen die Wacht am Rhein. Nie wurden die Worte „Lieb Vaterland magst ruhig sein, fest steht und treu die Wacht am Rhein“ mit größerer Begeisterung und fester Zuversicht gesungen, als in jener für Manderscheid unvergesslichen Stunde.
Für die meisten Mannschaften des Landsturms und der Landwehr lautete die Kriegsbeorderung: „am 1. Mobilmachungstage stellen.“ Der größte Teil musste sich in Gerolstein, einige in Wengerohr und Kyllburg stellen. Also am Sonntag den 2. August. Es ward beschlossen schon frühmorgens mit dem ersten Zug abzufahren. Je früher, desto besser. Deshalb musste am Samstagabend schnell das Nötige, Schuhe, Strümpfe, Unterzeug, Löffel etc. zusammengepackt werden. Man nahm Abschied von Verwandten und Bekannten. Keiner wusste ja Bescheid über die Art seiner Verwendung im Kriege. Am Samstagabend und Sonntagfrüh beichteten alle bei einem Pater, Stellvertreter des Herrn Dechant Zöllner, der zur Kur in Bertrich weilte. Sonntags früh um 5 Uhr wurde für den ausziehenden Landsturm eine hl. Messe gelesen, in der alle gemeinschaftlich zum Tisch des Herrn gingen. Es war ein ergreifendes Bild. Dann nahte die Abschiedsstunde. Alles ist schon auf den Beinen.
Auf der Kreuzung versammelten sich die Ausziehenden, umgeben von weinenden Frauen und Kindern. Auf einem Leiterwagen, dicht gedrängt, mit schweren Koffern und noch schwererem Herzen geht’s zur Bahn nach Manderscheid-Pantenburg. „In der Heimat, in der Heimat, da gibt’s ein Wiedersehn.“ Rasch war die schwere Lage geschwunden, nur mit fröhlichen Liedern und Scherzen ging’s hinaus in den Krieg.“
Soweit das Lagerbuch der Pfarrei.
Im 1. Weltkrieg fielen 21 Manderscheider - Heinrich Hoffmann, Josef Röhl, Nikolaus Ronde, Johann Müllejans, Josef Heuchert, Josef Hoffmann, Wilhelm Müller, Jakob Plinkert, Josef Kosters, Peter Krämer, Nikolaus Heuchert, Josef Stadtfeld, Peter Oehms, Karl Praum, Peter Röhl, Robert Kley, Josef Sänger, Johann Rodenbüsch, Peter Röhl, Johann Krämer sowie Peter Meyer, der hier an seinen Verletzungen starb.
Schon bald nach dem Kriege beschloss die Gemeinde, ihnen ein Denkmal zu setzen. Am 1. März 1919 stellte die Gemeinde ein Grundstück zwischen der Molkerei und dem Anwesen Krischel zur Errichtung eines Gedenksteines für die Gefallenen des Ortes zur Verfügung. Die Kosten des Denkmals sollten durch freiwillige Beiträge aus der Bürgerschaft aufgebracht werden. Auch in den Hotels wurden Spendenlisten ausgelegt. Die Spendenbereitschaft der Bevölkerung, wie der Gäste, war immens. Im Hotel Zens spendeten die Gäste 432 Mark und bei Fischer-Heid waren es 195 Mark. Im Hotel Müllejans wurde ein Konzert zu Gunsten des Fonds für das Kriegerdenkmal veranstaltet. Der Reinerlös betrug 215 Mark. Eine Haussammlung im Ort brachte stolze 1.583,25 Mark.
Im August 1919 bietet der Düsseldorfer Bildhauer Alfred Stumpp im Auftrag von Regierungsbaumeister E. Stahl dem Bürgermeister Dr. Meyers die Anfertigung eines Kleinmodells aus Gips an. Der Preis beträgt 80 Mark, die bei Auftragserteilung angerechnet werden. Außerdem fügt er eine Kostenaufstellung für verschiedene Gesteinsarten hinzu.
Die Gedenksäule mit Kapitell und Helmaufsatz in Eifeler Basalt kostet 2.600 Mark, in Westerwalder Trachyt 1.950 Mark und in bayerischem Muschelkalkstein 3.090 Mark. Die Manderscheider entscheiden sich für die teuerste Variante, das Ehrenmal soll aus bayerischem Muschelkalk angefertigt werden.
Am 21. August 1919 erstellt die Rheinische Beratungsstelle für Kriegsehrungen einen Entwurf der gesamten Anlage. Nach einer gemeinsamen Besichtigung des Platzes bietet Oberförster Flos dem Bürgermeister an, die Bepflanzung in eigener Regie durchzuführen.
Mit Schreiben vom 29. September bedankt sich Bildhauer Stumpp für den erteilten Auftrag und kündigt sein Kommen für den 6. Oktober an, um vor Ort alles zu besprechen. Bürgermeister Meyers ist bei diesem Termin nicht anwesend, da er einen auswärtigen Termin wahrnehmen musste. Ende Oktober teilt Dr. Meyers die erwünschte Inschrift des Gedenksteines mit.
"Den Beschützern unserer Heimat - die dankbare Gemeinde Manderscheid. Es starben den Heldentod in den Jahren 1914 - 1918"
Es folgen alle 21 Namen der Gefallenen aus Manderscheid.
In einem Brief vom 11. November bedankt sich Bildhauer Stumpp noch einmal für den erteilten Auftrag in Bayerischem Muschelkalk und kündigt die Fertigstellung für das kommende Frühjahr an.
Im März 1920 teilt der Künstler mit, dass er den angebotenen Preis nicht mehr halten kann. Gewaltige Verteuerungen an Materialien und Arbeitslöhnen machten es ihn unmöglich seine Offerte vom 12. September 1919 aufrechtzuerhalten. Der Stein kostet soll nun 4.510 Mark kosten.
Die Manderscheider stimmen dem neuen Preis zu und wollen das Denkmal nach Pfingsten 1920 einweihen. Von April bis Juni gibt es einen regen Schriftverkehr zwischen Meyers und dem Künstler, wann der Gedenkstein in Manderscheid eintrifft.
Am 6. Juni 1920 kündigt Bildhauer Stumpp die Lieferung des Steins an. Bürgermeister Meyers lädt dann folgende Herren zu einer Besprechung in seinen Geschäftszimmer ein, um die Einweihungsfeierlichkeiten vorzubereiten. Kaplan Billen, Oberförster Flos, Hauptlehrer Hauprich, Gemeindevorsteher Krämer sowie die Herrn Weinstock, Johann Röhl, Adophy und Bäckermeister Josef Stölben. Der ebenfalls eingeladene Polizeimeister Hamannt ist nicht anwesend, da er dienstlich in Trier zu tun hat.
Eine besondere Einladung zu der Einweihungsfeier erhalten die Herren F. de Leuw, Plinkert, Walper, Praum, H. Zens, Krump, Dr. Trimborn, Postmeister Floß und Notar Decker. Sie mögen sich nach dem Festgottesdienst in den Zug der Vereine einreihen.
Dann ist es endlich soweit. Am Sonntag den 27. Juni 1920 findet die Einweihung des Ehrenmals statt. Alle gedienten Männer werden gebeten, an der Gedenkfeier geschlossen teilzunehmen. Wer keinem Verein angehört, möge sich bei der Fahne des Kriegervereins einfinden. Alle werden ebenso gebeten, ihre Orden und Ehrenzeichen anzulegen. Vormittags um 9 Uhr erfolgt dann die Aufstellung der Vereine an der Turnhalle. Unter der Führung von Oberförster Flos gehen Kriegerverein, Turnverein und die Feuerwehr zur Pfarrkirche, wo ein feierliches Hochamt unter Mitwirkung des Kirchenchors stattfindet. Nach der Messe stellen sich alle Vereine auf dem Markplatz auf und unter den Klängen des Musikvereins marschieren sie zum neuen Denkmal. In einer einstündigen Feier werden Musikstücke, Chorgesang und Gedichte vorgetragen. Bürgermeister Dr. Paul Meyers hält die Festansprache.
Nach der Feier am Ehrenmal folgt der Abmarsch zur Turnhalle, wo ein von der Gemeinde gestifteter Umtrunk die Feierlichkeiten beendet.