"Unser Verderben ist nicht mehr weit"
Die Bauern der Grafschaft Manderscheid am Luxemburger Landesgericht
Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts hatten die Ideen der Aufklärung nicht nur das städtische Bürgertum erreicht, auch in den ländlichen Gebieten wie der Eifel war ihr Einfluss spürbar. Nach den Philosophen Jean-Jaques Rousseau, Voltaire, David Hume oder Immanuel Kant war die Vernunft das wichtigste Instrument, mit dem sich der Mensch aus seiner Unmündigkeit befreien könnte. Diese Idee führte dazu, dass sich auch die Untertanen der Grafen von Manderscheid gegen ihre Herrschaft auflehnten und deren jahrhundertelangen Privilegien in Frage stellten.
Bevor im Folgenden der Verlauf eines juristischen Verfahrens vor dem Luxemburger Landesgericht (1780-1794) wegen verweigerter Brennholz-Lieferungen geschildert wird, ein Blick auf die Entstehung der Grafschaft Manderscheid als luxemburgisches Territorium und die Lage der Untertanen.
Die Grafschaft Manderscheid
Bis zur Französischen Revolution im Jahre 1789 war die Grafschaft Manderscheid das am weitesten östlich gelegene Territorium des Herzogtums Luxemburg in der Eifel. Sie entstand in einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen den Grafen von Luxemburg und Erzbischof Balduin von Trier. Ab dem 12. Jahrhundert können wir von kontinuierlichen Versuchen des Trierer Erzstifts sprechen, in den Luxemburger Machtbereich vorzustoßen. Zwischen 1307 und 1354 forcierte Erzbischof Balduin, obwohl er selbst Luxemburger war, diesen Machtkampf. Sein Ziel war, dem großen kirchlichen Einflussgebiet Triers ein entsprechendes Staatsgebilde, den kurfürstlichen Staat an die Seite zu stellen. Im Zuge dessen konnte er auch auf dem Gebiet des heutigen Kreises Bernkastel-Wittlich Grundbesitz und Burgen erwerben. Eine Niederlage musste er im Jahre 1348 einstecken, als es ihm trotz zweijähriger Belagerung nicht gelang, die Niederburg in Manderscheid einzunehmen. Sie war das Machtzentrum eines Gebiet, das zunächst „uffenige“ (Öfflingen), „villa officinus“ oder „Hof Laufeld“ hieß und später zur Grafschaft Manderscheid wurde.
Die erste urkundliche Erwähnung dieses Territoriums reicht zurück ins achte Jahrhundert und steht im Zusammenhang mit dem Kloster Echternach. Im Jahre 785 bestätigte Karl der Große den Mönchen an der Sauer die Schenkung von Grundbesitz mit Namen „uffenige sup fluvio lisara“, die sein Bruder Karlmann bereits 771 veranlasst hatte. (1)
Aus einer Urkunde des 13. Jahrhunderts erfahren wir, dass dieses die Gemarkung mehrerer Dörfer umfassende Gebiet in den Besitz der Grafen von Luxemburg übergegangen war. (2)
Diese wiederum vergaben es als Lehen an die Grafen von Manderscheid, die vormaligen Schutzvögte des Klosters Echternach. Am 19. Oktober 1346 forderte König Karl (aus dem Hause Luxemburg) den Wilhelm von Manderscheid auf, die Grafschaft an den Trierer Erzbischof und Kurfürsten Balduin zu übergeben. (3)
Dieser Aufforderung kam der Manderscheider aber nicht nach. Da Balduin seinen Anspruch auf dieses Gebiet auf jeden Fall durchsetzen wollte, versuchte er es mit militärischen Mitteln. Die kurfürstlichen Truppen, verstärkt durch die des Markgrafen Wilhelm von Jülich und des Erzbischofs von Köln, begannen daraufhin mit der Belagerung der luxemburgischen Niederburg. Diese Auseinandersetzung zog sich bis Dezember 1348 hin, ohne dass es Balduin gelang, die Burg einzunehmen. Ihm blieb die auf der gegenüberliegenden Lieserseite gelegene Oberburg, die seit Mitte des 12. Jahrhunderts in Trierer Besitz war. Die Niederburg und die sie umgebende Grafschaft Manderscheid blieben bis zur Französischen Revolution luxemburgisches Territorium. (4)
Die Luxemburgische Rechtsverfassung
Die Luxemburger Herzöge hatten die Landeshoheit in der Grafschaft Manderscheid, die die Dörfer Dierfeld, Eckfeld, Laufeld, Niedermanderscheid (auch Manderscheid in der Niederburg genannt), Oberöfflingen, Pantenburg, Schladt und Wallscheid umfasste. Die gesetzgebende Gewalt lag in ihren Händen. Die „Gemeine Landbräuche“ des Herzogtums Luxemburg galten auch in der Grafschaft Manderscheid. Diese wurden 1611 erlassen und gingen auf Bestimmungen aus dem Jahre 1540 zurück. (5)
Auf dieser Grundlage legten die Grafen im Jahre 1616 mit dem sogenannten Schöffenweistum ihre Rechte und die Pflichten für die Untertanen fest.
Die hohe, mittlere und die niedere Gerichtsbarkeit lag in ihren Händen.
Die Untertanen waren Leibeigene, sie besaßen keine persönlichen Freiheiten.
Der Grafenfamilie gehörte der gesamte Grund und Boden: die Äcker, Wiesen, Flüsse und der Wald. Die Untertanen hatten nur das Nutzungsrecht an den Ländereien und waren zudem zu Frohndiensten verpflichtet.
Vor allem die Gerichtsbarkeit war für die Einwohner mit Schrecken verbunden. War ein „Verbrechen“ bekannt geworden, wurden die Verdächtigen für sechs Wochen und drei Tage in Untersuchungshaft auf die Niederburg gebracht. Ein Schöffengericht konnte zweimalige Folter anordnen, um ein Geständnis zu erzwingen. Je nach der Schwere des Verbrechens wurde auf Geld-, Freiheits- oder Todesstrafe erkannt. Die Freiheitsstrafen wurden im Verließ auf der Niederburg abgesessen. Die Vollstreckung von Todesstrafen erfolgte auf der noch heute „Gericht“ genannten Flur der Gemeinde Laufeld, wo ein Galgen aufgestellt war. Im vierten Titel der Luxemburger Lands-Bräuche heißt es dazu: „Der Hochgerichtsherr hat die cognition und bestraffung in fällen welche der leibstraff unterworffen / es seye vom leben zum todt / fugistation und außstreichung mit ruthen / glieds abhauwung und verbannung / und gebührt ihme auch die erhebung und besuch der todten Cörper.“
Die Leibeigenschaft der Stock- oder Schafftbauern
Die Bewohner der Grafschaft fielen, sofern sie nicht von geistlichem oder adeligem Stand waren, unter die Kategorie „Leibeygenschafft-Leuth“, wie es in den Lands-Bräuchen heißt. Die Leibeigenschaft war die unwürdigste und härteste Lebensbedingung der Bauern. (6)
Das Wesen der Leibeigenschaft bestand darin, dass der Untertan auch mit seinem Leib und seiner ganzen Person dem Herrn gehörte und keinerlei persönliche Freiheiten hatte.
Auch der Grund- und Boden gehörte den Grafen allein und ungeteilt. Da sie das Land aber nicht selbst bewirtschafteten, teilten sie es in Güter in der Größe zwischen 50 und 250 Morgen auf und vergaben es an die leibeigenen Stock- oder Schafftbauern. Im Luxemburgischen wurde auch der Begriff Vogteibauer verwendet. Zum Gut gehörte das Stockhaus. Die Bauern hatten das Recht, diesen Hof selbständig zu bewirtschaften und mussten dafür Abgaben ans Grafenhaus leisten. Die Stock-, Schafft- oder Vogteigüter waren nur in der Eifel, in Luxemburg und im Hochwald bekannt. Die Stockgutverfassung war im Unterschied zu den Lehnsgütern durch strenge Erbbestimmungen gekennzeichnet. In den Luxemburger Lands-Bräuchen heißt es dazu, dass die Hofgüter weder verkauft, verpfändet, beschwert (mit einer Hypothek belastet) oder verteilt werden durften. Das einzige Recht des Stockbauern bestand darin, eins ihrer Kinder als Erben des Hofes einzusetzen. Dies führte dazu, dass die Stockgüter über Jahrhunderte in den Händen der gleichen Familien blieben. Der Hausname wurde dadurch unzertrennbar identisch mit dem Namen der darin wohnenden Familie, sodass selbst nach 1794, als die Franzosen die Leibeigenschaft abschafften und die Erbteilung üblich wurde, Häuser und Familien – bis in die heutige Zeit - den überlieferten Namen der früher dort ansässigen Stockbauern behielten. Die Gegenleistung für die Nutzung des Gutes waren zum einen das sogenannte Schafftgeld, zu zahlen im Frühjahr und Herbst, sowie Naturalabgaben.
Die Eifelsachsen
Manche Historiker vermuten einen Zusammenhang zwischen der Zwangsansiedlung von ca. 10.000 sächsischen Familien in der Eifel durch Karl den Großen und den erwähnten Stock- oder Schafftgütern. (7)
Das „Sachsengebiet“ zur Zeit Karls des Großen lag hauptsächlich im heutigen Westfalen und Niedersachsen. Im siebten und achten Jahrhundert kam es immer häufiger zu Auseinandersetzungen zwischen den Sachsen und den Franken. Dabei spielten religiöse Gründe eine zentrale Rolle. Die Sachsen wehrten sich gegen die Missionsversuche durch die christlich geprägten Franken. Nach militärischen Erfolgen der Truppen Karls kam es zu Massenhinrichtungen und Zwangsmissionierung. Dennoch wehrten sich die Sachsen weiterhin, u.a. gegen die Einführung des Zehnten. Daraufhin ließ Karl in einer ersten Phase mehr als 7.000 sächsische Männer zwangsweise umsiedeln. Ab 796 gingen die Franken dazu über, auch Frauen und Kinder zu verschleppten. Diese Phase dauerte bis etwa 804. Die Entwicklung hatte Einfluss auf das Erbrecht der Bauern in der Eifel. Während im fränkischen Recht die Realteilung üblich war, also der bäuerliche Besitz gleichmäßig unter den Erben aufgeteilt wurde, galt in der sächsisch geprägten Stockgutverfassung ein strenges Anerbenrecht, wonach grundsätzlich nur ein Kind den Hof erbte. (8)
Die Frondienste
Neben den Naturalabgaben und der Zahlung des „Schafftgeldes“ waren die gräflichen Untertanen zu Frondiensten verpflichtet, die in den Luxemburger Lands-Bräuchen als „froende“ bezeichnet werden. Das Wort leitet sich ab vom mittelhochdeutschen vrön(e) Gewaltherrschaft, Herrendienst.
Die Frondienste beinhalteten u.a. die Arbeit auf den Feldern des Grundherrn. Die Bauern erhielten zwar die Kost für diese bis zu vier Tage in der Woche zu verrichtende Arbeit, diese Zeit ging ihnen jedoch für die Bewirtschaftung des eigenen Hofes verloren.
Die Hörigen waren zu Wege-, Brücken- und anderen Bauarbeiten verpflichtet. Sie konnten durch den Grundherrn außerdem zu Hand- und Spanndiensten herangezogen werden. Unter die Handfrohnden fielen z.B. neben der erwähnten Feldarbeit das Schafscheren, das Waschen der Wolle, das Flachsspinnen, das Mahlen in der gräflichen Mühle in Niedermanderscheid. Unter den Gespannfrohnden verstand man die Ausführung von Transportarbeiten mit den eigenen Gespannen. Dazu gehörte auch die Verpflichtung, Brennholz auf die Burg zu liefern.
Zu den „froenden“ gehörten ebenso Bauarbeiten auf der Niederburg, zu denen auch Untertanen aus anderen Gebieten herangezogen werden konnten. Der Bau des „Dreiser Turms“ war offensichtlich das Werk von gräflich-manderscheid'schen Bauern aus Dreis. Die Bewohner der Grafschaft wurden zudem zu Wachdiensten auf der Burg verpflichtet. (9)
Die verweigerten „Brandholtz“-Fuhren
Im Jahre 1780 begann eine Auseinandersetzung zwischen den Grafen von Manderscheid und ihren Untertanen, die den luxemburgischen Landesherrn und den dortigen Provinzial-Rath, das Landesgericht, für mehr als 10 Jahre beschäftigen sollte. Anfang August überbrachte ein Gerichtsbote dem Grafen Joseph Franz von Manderscheid-Blankenheim-Gerolstein folgendes Schreiben: „Unterschriebener Bott (Bote – d.V.) attestiere hierdurch das als an heut die einwohnern von Schlad, als an welche die ordnung der frohnden gekommen, gebotten, brandholtz aufs Schloß zu führen, der Bürgermeister von Schlad Wilhelm Webers mir zur Antwort gegeben, sie nemblich alle aus der Grafschaft hätten sie untereinander beredet, daß sie kein holtz führten. Manderscheid im Dahl, den 5.ten August 1780 ware unterschrieben Carl Schuster Bott. (10)
Der Graf wandte sich zwei Wochen später an den auch für Luxemburg zuständigen Habsburger Kaiser Joseph II. und verwies darauf, dass es von alters her die Pflicht seiner Untertanen – mit Ausnahme der Bewohner von Niedermanderscheid im Burgbering – gewesen sei, die Burg mit Brennholz zu versorgen. Jetzt hätten sich diese untereinander abgesprochen, kein Holz mehr zu liefern. Der Graf weiter: „ ... weilen nun diese weigerung und unterredung für eine formale stöhrung anzusehen ist als Verfüget sich der Herr Vorbringer zu Euwer Gnaden gerechtigkeit und Auctorität.“
Am 23. September 1780 antwortete die kaiserliche Verwaltung, der Graf von Manderscheid solle die Angelegenheit untersuchen lassen, Zeugen vernehmen und von den Schladter Bauern eine Stellungnahme einholen, ob sie geständig seien. Aber da Gerichtsmühlen schon damals langsam mahlten, wundert es nicht, dass erst im darauffolgenden Sommer eine Untersuchungskommission nach Schladt kam. Sie wurde begleitet vom gräflichen Rentmeister Komp. Die Schladter Bauern erklärten, „daß angesehen sich keine Herrschaft auf dem Schloß Niedermanderscheid befindet, so thäten sie auch kein holtz mehr führen und wan sie auch holtz müßten führen, so thäten sie nur 6 Korten führen wie sie auch bekommen thäten.“
Diese Antwort wertete die Kommission als „gänztliche ungeständigkeit“ und benannte sechs Zeugen für den Grafen, die für den 18. August 1781, neun Uhr morgens, ins Wachhaus nach Niedermanderscheid bestellt wurden. Dort protokollierte man ihre Aussagen. Der Vertreter der Gegenpartei, Carl Anton Thoulen aus Schladt, erhielt die Aufforderung, innerhalb von 14 Tagen eine Gegendarstellung einzureichen. Darin beriefen sich die Schladter Bauern – stellvertretend für die aus den anderen Grafschaftsorten – auf das sogenannte Schöffenweistum von 1616. (11)
Der Artikel 13 regele ihrer Ansicht nach die Frage des Brennholzes. Danach war der Hofmann des Neuenhofes, zwischen Pantenburg und Buchholz gelegen, für die Lieferung des Küchen- und sonstigen Holzes zuständig, die Bauern der Grafschaft – im Weistum Kirspelsmänner genannt – für die Lieferung des Kammerholzes, also für das Beheizen der Wohnräume auf der Niederburg verantwortlich. Da die Burg aber nicht bewohnt sei, entfiele diese Verpflichtung.
Am 1. März 1782 überbrachte der von der Gemeinde Schladt beauftragte Rechtsanwalt Meunie das vorläufige Urteil des Luxemburger Provinzial-Rathes. Es fiel gegen die Bewohner der Grafschaft Manderscheid aus. Sie könnten sich, so das Gericht, nicht auf das Schöffenweistum von 1616 berufen, weil „dieses ein keinen glauben verdienendes blat seye, welches offenbahre unwahrheiten enthaltet. [...].“ Das Gericht ging nicht auf die inhaltlichen Gründe der Bauern ein, sondern argumentierte rein formal. So führte es an, dass das im Jahre 1616 für die Grafschaft Manderscheid zuständige Appellationsgericht in „Cröf“, also die gerichtliche Beschwerdeinstanz, jetzt, 1782 garnicht mehr zuständig sei. Bis zur endgültigen Klärung des Sachverhaltes wurden die Schladter Bauern angewiesen, das Brennholz zu liefern, anderenfalls müssten sie mit einer Geldstrafe in Höhe von 25 Goldgulden rechnen.
Am 30. Juni 1783 übergab der Anwalt der Bewohner der Grafschaft Manderscheid, Notar Meyer aus Orenhofen, dem Luxemburger Landesgericht eine Petition. In dieser von 43 Familien unterstützten Erklärung wird der Kern des Konfliktes deutlich. Die Bauern erklärten, dass sie für „eine kleine Zeit [...] frohnweis“ das Holz lieferten. Dies wäre auch nie kein Problem gewesen, weil sie in gutem Einvernehmen mit der gräflichen Herrschaft standen. Über einen langen Zeitraum bis 1772 waren Graf Johann Wilhelm Franz von Manderscheid-Kail und seine Frau Maria Franziska in der Regentschaft. Über sie urteilten die Bewohner, dass sie sich „ihnen an allen stücken jederzeit sehr gütig und günstig erzeigte, so erachteten sie ihrerseits zur erkenntlichkeit und dankbarkeit auch nicht abschlagen zu können, was vonseiten derselben herrschaft an sie begehret wurde, wonach dan geschehen ist, daß allgemach unterschiedliche so genante fron-diensten freywillig und ohne schuldigkeit angefangen wurden, wie da ist die fron bey dem holtz-weyer, die fronen auf Kail (12) und so fort.“
Nach dem Übergang der Herrschaft des Hauses Manderscheid von der Kailer auf die Linie Blankenheim-Gerolstein unter Graf Joseph Franz Georg Ludwig verschlechtere sich die Beziehung zwischen dem gräflichen Haus und den Bauern. Diese erklärten gegenüber ihrem Anwalt: „Weilen aber bei jetztiger Regierung ihnen opponenten (14) nicht allein die vormahlige güte und gunst nicht mehr erzeiget wird, sondern im gegentheil sie mit allen stücken auf das schärfste gehalten werden, ja so daß ihr völliges Verderben nicht entfernt ist. Da man sogar aussaget daß gesagter-maßen vormals freywillig, ohne sich damit verbinden zu wollen, angefangenen fron-diensten ihnen als eine alte und wohlhergebrachte schuldigkeit aufzubürden, so finden sich opponenten genöhtigt um ferner possession zu verhindern, auf einmal diesen verliehenen genuß zu unterbrechen, und vor allem, was sie vorhin freywillig ohne schuldigkeit gethan haben, abzustehen.“ In ihren weiteren Ausführungen bezogen sich die Bauern erneut darauf, dass sie nur verpflichtet waren, das Holz für das Heizen der Wohnräume zu liefern. Was sie zusätzlich erzürnte war die Tatsache, dass das von ihnen herbeigeschaffte Holz vom gräflichen Jäger „zum backen und brauen“ verwendet worden war.
Dem Schreiben legte der Anwalt der Bauern zwei Anlagen bei. Zum einen das bereits erwähnte Schöffenweistum von 1616, zum anderen einen Bericht von Notar Meyer aus dem Jahre 1781, wonach die Bewohner von Eckfeld, Laufeld, Oberöfflingen, Pantenburg, Schladt und Wallscheid zu unberechtigten Dienstleistungen herangezogen worden waren.
So sollten sie auf Anordnung des Grafen Bauholz zum Bau einer Kelteranlage in Reil bringen. Das Schreiben des Anwalts schließt mit der Nennung von zwei Zeugen, Hans Matheis Rascop, Schöffe aus Laufeld und Christian Saurens aus Oberöfflungen. Dann folgen die Namen der mutigen Bauern mit ihren Handzeichen. Peter Lorentz, Philipp Pretz, Paulus Niles, Anton Benner, Mathes Öhlen, Peter Zentz, Peter Becker, Joos Koos, Niclas Mariens, Mathes Lenerts, Hans Peter Pauls, Hans Adam Peters, Mathias Homes, Mathias Klaus, Joes Adam Thielen, Anton Thielen, Philipp Rodenkirch, Paulus Schäffers, Nicolaus Schrieders, Mathias Reitz, Diederich Neumann, Hans Willem Walrers, Joes Rodenkirch, Peter Otten, Hermann Neumann, Jakob Herres, Peter Paulus, Nicolaus Schneyders, Nicolas Theis, Matheis Baurs, Willem Borrens, Jacob Saurens, Peter Walper, Jacob Grains, Willem Pitisch, Florin Niedres, Nicolas Schmitz, Peter Mohnen, Jacob Thulen, Jacob Lenerts, Matheis Hommes, Christian Saurens, Hans Matheis Rascop.
Die eigentliche Prozessgeschichte ist bis zum Jahre 1789 dokumentiert. Bis ins Jahr 1794, als die französischen Revolutionstruppen die Grafschaft Manderscheid erreichten und die Gräfin Augusta mit ihrem Gemahl, Philipp Christian, Graf von Sternberg, nach Böhmen flüchtete, war in dieser gerichtlichen Auseinandersetzung keine Entscheidung gefallen. Die Angelegenheit hatte sich damit auch erledigt, weil die Bauern aus ihrer Leibeigenschaft befreit wurden und die Herrschaft der Grafen und Gräfinnen von Manderscheid zu Ende war.
(Nachdruck aus dem Kreisjahrbuch Bernkastel-Wittlich, 2023, S. 123-128).
Anmerkungen:
- Archives Nationales de Luxembourg (ANLux), Kopie des „liber aureus“ (Goldenes Buch) der Abtei Echternach, fol, 48v-50. Das Original befindet sich in Gotha.
- Herzog von Croy'sches Archiv in Dülmen (HvCA), Abt. 3, Nr. 3.
- Landeshauptarchiv Koblenz (LHA Ko), Abt. 1a, Nr. 5318/19.
- Franz IRSIGLER: Herrschaftsgebiete im Jahre 1789. Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, Beiheft V/1, Köln 1982. Danach gehörte das Herzogtum Luxemburg bis zur Französischen Revolution zu den österreichischen Niederlanden.
- Die Gemeine Lands-Bräuche des Herzogtumbs Lützenburg und Graffschaft Chiny, gedruckt bei Jacobum FERRY, Luxemburg 1709.
- Willibrord WEINS: Die Grafschaft Manderscheid in der Eifel, Dissertation, Münster 1921, S. 42f.
- Gregor BRAND: Die „Eifelsachsen“. Zur Herkunft der Südwesteifler, in: Kreis Bernkastel-Wittlich, Jahrbuch 1990, S. 313-320; Ernst Dominik LAEIS: Die Stock- und Vogteiguts-Besitzer der Eifel und der umliegenden Gemeinden wider ihre Gemeinden in Betreff streitiger Waldungen, Trier 1830/31.
- Franz Josef ZENS: Das Anerbenrecht der Stock-, Schafft- und Vogteigüter in der Südwesteifel vor der Einführung des Code Civil, Dissertation, Bonn 1938.
- Günter HESSE, Wolfgang SCHMITT-KÖLZER: Manderscheid. Geschichte einer Verbandsgemeinde in der südlichen Vulkaneifel, Bernkastel-Kues 1986, S. 154-156
- HvCA (wie Anm. 2), Abt. 6, Nr. 5. Sofern nicht anders angegeben, beziehen die weiteren Ausführungen auf diese Akte.
- HvCA Dülmen, Abt. 6, Nr. 36
- Gemeint ist die gräfliche Burg in Oberkail. Die Linie Manderscheid-Kail erlosch im Jahre 1772 und fiel dann an Blankenheim-Gerolstein. Bis 1780 regierte dort Graf Joseph Franz Georg Ludwig. Nach dessen Tod fiel die Grafschaft Manderscheid an das Haus Sternberg
- Die Bauern sahen sich in diesem Brennholz-Prozess als juristische Gegenpartei, Opposition.